In der Mitte des Lebens – Was wichtig ist? Teil 2

Falls du den ersten Teil noch nicht gelesen hast. Hier geht es zum Teil 1 des Beitrag´s: (Hier klicken)

In der zweiten Lebenshälfte ab 36 Jahren, also im Herbst und im Winter des Lebens, geht es darum sein EGO wieder abzubauen. Es geht darum nach innen zu schauen und zu entdecken, wer der Mensch jenseits der Programme und Konditionierungen ist, wer dieser jenseits des EGOs ist und was wichtig ist. Am Nachmittag des Lebens gilt es, sein wahres Selbst zu entdecken. Eine „Begegnung mit dir selbst“. Wer ist dieser Mensch ohne die vertrauten Requisiten wie Name, Partner, Beruf, Heim, Freunde, Kreditkarten auf deren zerbrechlichen Stützen die gesamte Identität aufgebaut ist? Es geht darum, sich wieder mit der Quelle allen Lebens zu verbinden.

Hervor kommt zunächst eine Person, die wir nicht kennen. Wir leben zwar schon viele Jahre mit ihr zusammen, haben uns aber noch nicht gewagt, uns selbst zu begegnen. Wir erkennen plötzlich, dass das, was wir vielleicht aufgebaut und erreicht haben, uns nicht wirklich glücklich macht. Wir stellen uns vielleicht Fragen wie „Was habe ich im Leben wirklich erreicht?“, „Was möchte ich noch in meinem Leben noch machen?“, „Was ist mir wirklich wichtig?“.  Wir beginnen zu erkennen, dass Geld, Macht und Besitz nicht mehr den gleichen Stellenwert wie am Vormittag unseres Lebens hat. Wir beginnen mit der Suche, wie wir eine Veränderung in diese Welt bringen können. Was wäre, wenn uns am Lebensende jemand die Frage stellt: „Hast du etwas getan, was mir zeigt, was du aus deinem Leben gemacht hast?“  Wie wäre deine Antwort?

Eine Tatsache ist, dass die meisten Menschen die Schwelle der Lebensmitte einfach überschreiten, ohne sich dessen bewusst zu sein. Wer jetzt am Nachmittag seines Lebens so weiterlebt wie am Vormittag, wird einen schmerzlichen Punkt erleben, bei dem dieser Mensch erkennen wird, dass er nicht mehr derselbe ist. Vieles hat sich verändert. Das, was am Vormittag noch großartig war, kann am Nachmittag nur wenig bedeuten und was am Morgen noch wahr ist, kann sich am Abend als Lüge entpuppen. Wer rechtzeitig beginnt, dies einzusehen, bewahrt sich selbst vor größeren Krisen und Enttäuschungen. Wir sollten beginnen uns selbst und unser Leben ernst zu nehmen. Denn „Wenn ich mich selbst nicht ernst nehme, wer soll mich dann ernst nehmen“?

Unsere Lebensmitte birgt eine Zeit, die mit Krisen und Chancen daherkommt. Als Krise erfahren wir eine Zeit oft, wenn wir etwas loslassen -, etwas aufgeben -oder zumindest radikal in Frage stellen müssen – etwas, was bis dahin wie selbstverständlich zu unserem Leben gehört hat und mit dem wir uns identifiziert haben. Da die meisten Menschen sich praktisch mit allem, angefangen vom Partner, Kinder, Beruf, Haus, Hobby etc. identifizieren können, ist eine Krise zu diesem Zeitpunkt sehr wahrscheinlich. Wir gehen auf einen Scheideweg zu. Es zeichnen sich deutliche Veränderungen im Leben und in der Lebensführung ab. Wir spüren immer mehr, dass wir älter werden und es dringt mehr und mehr in unser Bewusstsein, dass die Zeit läuft. Die Ermüdungserscheinungen werden immer deutlicher und das zeigt uns, dass wir kürzertreten sollten. Wir erinnern uns, wie wir am Vormittag unseres Lebens noch mit vollem Tatendrang unsere Energien entfaltet haben und dem Leben mutig – mit einer Portion Übermut – entgegengingen. Der Nachmittag des Lebens steht eher im Zeichen der Harmonie und des Gemeinschaftssinns. Die Werte verändern sich. Das, was am Vormittag noch wichtig war wie vielleicht Freiheit und Unabhängigkeit tritt langsam in den Hintergrund. Dafür rücken die Themen Gesundheit, Harmonie, Glück und Zufriedenheit in den Vordergrund.

Wir sollten uns in dieser Phase des Lebens eher als Teil eines großen Ganzen sehen. Als eine Art Puzzlestück, welches den Platz im großen Puzzle des Lebens noch sucht. Jeder von uns ist ein ganz bestimmtes Puzzlestück in diesem Spiel und wir müssen den richtigen Platz einnehmen, damit sich das Puzzle des Lebens harmonisch zusammenfügt.

An der Lebenswende vom Vormittag zum Nachmittag des Lebens, fangen wir an, nicht nur uns selbst in Frage zu stellen, sondern auch unser bisheriges Tun zu hinterfragen. Wir stellen das, was wir erwartet haben mit unserem aktuellen Sein gegenüber. Wir stellen uns Fragen wie: Welchen Sinn ergibt das Ganze? Wozu ist das gut? Soll und kann ich so weitermachen? Soll das schon alles gewesen sein? Eine aktuelle Standortbestimmung wird notwendig und wenn wir es wirklich ernst mit uns meinen, ist eine Begegnung mit unserem Selbst fast unausweichlich. Wir beginnen uns bewusst damit auseinanderzusetzten, welche Pläne und Ziele wir noch für unser Leben haben. Wir stellen uns Fragen wie: Was will ich noch erleben? Wie soll mein Leben aussehen? Wie möchte ich leben? Mit wem möchte ich leben?

Die Partnerschaft und die eigene berufliche Entwicklung werden hinterfragt oder auch sehr real in Frage gestellt. In der Ehe ist das oft die Zeit, in der ein Auseinanderleben festgestellt wird. Ehrlichkeit und Mut in der Partnerschaft ist angesagt. Getrennte und eigene neue Wege sollten ins Auge gefasst werden, da diese oft besser sind als faule Kompromisse aus Angst vor dem Alleinsein und der Unsicherheit vor dem, was kommt. Wir müssen uns Fragen stellen wie: Habe ich einen Grund zu bleiben? Nehme ich mich und mein Leben wirklich ernst?

Wenn wir an dieser Stelle kein erstrebenswertes Ziel oder eine Vision für unser Leben erkennen können, fallen wir in eine Art Sinnkrise. An dieser Stelle entsteht bei vielen Menschen eine große Angst. Es entsteht die Frage: Was ist, wenn ich nichts mehr finde? Was ist, wenn da nichts mehr ist, nichts mehr kommt? Sie versuchen diese entstehende Leere gar nicht erst aufkommen zu lassen bzw. zu füllen und machen einfach weiter wie bisher. Wir verhalten uns an dieser Stelle wie Kinder, die sich die Augen zu halten und glauben, sie werden nicht entdeckt. Dass dieser Weg in einen energielosen Alltagstrott, eine sichere Sackgasse und zum Stillstand führt, erkennen wir oft zu spät.

An diesem Übergang des Lebens wird uns bewusst, dass wir nicht ewig leben. Wir sollten das Steuer des Lebens in die Hand nehmen, die eigene Denk-, Lebens-, und Ernährungsweisen kritisch und ehrlich prüfen. Wir sollten uns Fragen stellen wie: Passt das alles noch zu mir, so wie ich lebe? Will ich das wirklich? Es geht darum Klarheit zu bekommen, sein Leben zu entrümpeln und loszulassen. Das bedeutet, sich von Menschen und Dingen zu verabschieden. Dies alles kann mit großen Ängsten verbunden sein und auch schmerzliche Entscheidungen mit sich bringen. Es kann sich wie ein kleiner Tod anfühlen denn: „Media vita in morte sumus“ – „Mitten im Leben sind wir im Tod“.

Es ist ein Prozess, der auch einiges an Zeit in Anspruch nehmen kann. Es ist eine Seelenschau, bei der wir uns unserem eigenen „Schatten“ stellen müssen. Schattenarbeit ist eine der wichtigsten Aufgaben, neben der Arbeit am eigenen Ego, wenn wir nach wirklicher Selbstentfaltung und Selbstverwirklichung streben. Ich muss meine Schatten sehen und annehmen bzw. integrieren, um als Mensch ganz zu werden. Wenn wir dies nicht freiwillig und bewusst machen, wird uns wahrscheinlich das Leben durch schmerzhafte Geschehnisse, deutlich darauf aufmerksam machen und manchmal gar zwingen, etwas zu ändern.

Herman Hesse (Stufen: Ausgewählte Gedichte, Insel Verlag Frankfurt am Main, 1970)  schreibt in seinem Gedicht „Stufen“ dazu:

„Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
 Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
 Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
 Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
 Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
 Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
 Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
 In andre, neue Bindungen zu geben.
 Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
 Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.“

Wir sind so etwas wie Bergsteiger. Wir befinden uns auf halber Höhe am Berg und können schon etwas in die Ferne schauen, aber den Gipfel können wir nur erahnen, denn: „Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden“. Alles darf und muss sich dabei organisch entwickeln. Wenn wir es schaffen, aus dem Überlebensmodus in den Schöpfermodus zu wechseln, kann Großartiges in unserem Leben passieren. Wir werden dabei auch immer einen Preis bezahlen müssen, aber der Lohn liegt in der Befreiung der eigenen Lebendigkeit, in die eigene Kraft zu kommen und wieder wirkliche echte Lebensfreude zu erfahren. Es ist ein Weg der Heilung und des eigenen spirituellen Wachstums.

Geh los, spiel deine Melodie und sing dein Lied. Gott schütze dich.

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